Gastbeitrag von Frank Demmler
Servus,
Meine Bergsportbegeisterung riss letztes Jahr nicht ab. Ganz im Gegenteil. Irgendwie verschlug es mich 2015 ziemlich oft in die Alpen. Aufmerksame Blogleser wissen, dass ich während der Alpenüberquerung zwei Kletterer traf, die mich durch Ihre Erzählungen aus der Kletterei zum Klettern bekehrten.
Die beiden meinten, wenn man in den Alpen klettern möchte, sollte man eine Art Lehrgang bewältigen, da sich die Bergkletterei von der Sportkletterei „indoor“ unterscheidet. Und so durchforstete ich das Internet, informierte mich über die Kletterei und überflog Bewertungen verschiedener „Kletterschulen“. Aufgrund dieser Recherche richtete sich mein Augenmerk auf den DAV Summit Club, der mit seinen diversen Bergführern und Bergführerinnen verschiedene Kletterkurse anbot. Ich entschied mich für den Kurs „Grundlagen Alpines Klettern“ in der Umgebung der Blaueishütte bei Berchtesgaden. Dieser wird recht oft angeboten, läuft pro Kurs in einem Zeitraum von fünf Tagen und setzt keine Vorkenntnisse in alpiner Klettertechnik voraus. Perfekt.
Und so fuhr ich mit dem Zug Sonntag, Anfang August, nach Berchtesgaden. Dort angekommen, ging’s weiter mit dem Bus zu einem Hotel am Fuße der Berge, um mich mit einer mir unbekannten Gruppe von fünf Leuten und dem Bergführer zu treffen. Vor einer überwältigenden Bergkulisse trank ich noch einen Kaffee. Es wurde später und plötzlich kamen ein Mädel und vier Kerle. Katharina, Martin, Peter, Tom und Matthias. Alle unterschiedlichen Alters mit ähnlich stark ausgeprägtem Sportinteresse. Sehr nett und sehr sympathisch, wie sich gleich zu Beginn herausstellte. Während die obligatorischen Kennenlerngespräche stattfanden, also Fragen wie: Wo kommst Du her?, Was machst Du so? usw. beantwortet waren, traf unser Bergführer Thomas ein. Ein etwas kleinerer, älterer, drahtiger Mann, der neben halbzerrissenen Aldi-Sandalen und durchlöcherten T-Shirts eine ordentliche Portion positive Ausstrahlung und immer einen coolen Spruch auf den Lippen mitbrachte. Kurz miteinander bekanntgemacht, fuhren wir mit dem Auto ein Stück weiter zum nächsten Parkplatz, um von dort auf die Blaueishütte, unserem „Basislager“, aufzusteigen. Aus den Autos ausgestiegen, schnappten alle Ihre Ausrüstung und liefen einen Wanderweg Richtung Blaueishütte los. Gleich zu Beginn des Weges fragte mich Thomas plötzlich, was ich denn mit meinen Bergschuhen (die man ja eigentlich zum Wandern trägt) denn so vorhätte. Er meinte, dass Sandalen doch völlig ausreichen würden. Und so stieg ich zum ersten Mal in meinem Leben zu einer Berghütte mit meinen völlig zerfetzten alten Biolatschen auf. Die ab diesem Zeitpunkt sogenannten „Universalschuhe“ reichten für diesen Weg und bei diesem Wetter tatsächlich völlig aus.
Nach einer Stunde erreichten wir die wunderbar gelegene Blaueishütte und machten uns erstmal einen Überblick über die Hütte und deren Umgebung. Wir wurden alle in einem kleinen Zimmer mit drei Doppelstockbetten untergebracht. Wir richteten uns häuslich ein und empfingen bei Thomas unsere Kletterausrüstung, wie z.B. Schraubkarabiner, Expressen, Bandschlingen, Kletterschuhe usw. Je nachdem, wer welche Ausrüstung noch nicht dabei hatte. Danach war schon Essenszeit. Im Speiseraum trafen wir viele andere Kletterbegeisterte. Die Hütte war voll von Kletterern aus unterschiedlichsten Gegenden. Sogar eine Austauschgruppe aus Peru war zugegen. Wir aßen und tranken zusammen mit Thomas und spielten anschließend Schafkopf. Ein kleiner „Intelligenztest“ von Thomas, wie sich später herausstellen sollte. Thomas wies uns noch in den Kursplan und die Kursinhalte ein, bevor wir gegen 22.00 Uhr in unsere Betten fielen.
Und so startete der Montagmorgen pünktlich mit dem Frühstück um sieben Uhr. Es gab Kaffee, Brot, Wurst, Müsli und Obst. Einfach. Deftig. Bergfrühstück halt. Nach dem Frühstück ging’s los. Nur mit unseren Kletterschuhen bestückt, gingen wir in schroffes Gelände, um Tritttechnik zu erlernen, Gleichgewichtsübungen durchzuführen und Vertrauen in unsere Kletterschuhe zu bekommen. Alle stellten sich auf den scharfkantigen Steinen und den glatten großen Platten prima an. Thomas war mit unseren koordinativen Trittfähigkeiten sehr zufrieden.
Zwei Stunden später verlegten wir zu einem kleinen Platz direkt neben der Blaueishütte, der sich ausgezeichnet eignete, um die Basisknoten der alpinen Kletterei zu erlernen. Und so legten wir unser Klettergeschirr an und hingen uns in verschiedenen Knotenvarianten an einem Seil nebeneinander ein.
Wir erlernten u.a. Mastwurf, Halbmastwurf und Prusikknoten. Des Weiteren zeigte uns Thomas wie und wo wir unsere Ausrüstung am Klettergurt optimalerweise positionieren können. Dazu gehört unter anderem Bandschlinge, Expressen, HMS Karabiner, Prusikschlinge, ATC. Wir lernten schnell, wiederholten alles, bis Thomas zufriedengestellt war. Und so verdienten wir uns erstmal Kaffee und Kuchen in der Hütte. Ganz nebenbei: Der Kuchen, speziell der Mohnkuchen, bekommt einen Top 10 Platz in meiner Kuchenliste jemals gegessener Kuchen…
Nach dieser Kuchendelikatesse ließ die Gruppenmotivation merklich nach. Keiner wollte mehr Großes vollbringen. Zwei, drei direkte Sätze von Thomas holte die Motivation zurück. Frisch motiviert, gingen wir nicht weit von der Hütte entfernt zum Sportklettern und zum Knotentraining über. Wir erlernten Standplatzbau, Klettern im Nachstieg, Sturztraining, Expressen setzen und Sichern im Vorstiegsklettern. Nach diesem abwechslungsreichen Tag und den Kopf voll neuem Wissen endete der Tag mit mehreren Weizen und einem deftigen Abendbrot.
Am zweiten Tag liefen wir erstmal ein Stück weg von der Hütte zu einem Abschnitt mit angeschrägten plattenähnlichen Gesteinsformationen. Dort erlernten wir das Klettern in der Seilschaft, Abseilen mit Körpersicherung, Standplatzbau und den Schleifknoten zum Entlasten der Hände am Standplatz. Das Plattenklettern und das Arbeiten in der Seilschaft war sehr spannend, interessant und zeigte uns einen kleinen Einblick, wie es in der Kletterei so abläuft. Wir kamen gut zurecht und schnell voran, was auch mit Thomas ausgezeichneten Erklärungen zusammenhing. Wir verdienten uns unseren Kaffee und Kuchen und gingen am Nachmittag zum Sportklettern über. Wir kletterten Routen der Schwierigkeit 5 bis 6 im Nachstieg. Prinzipiell nicht sonderlich schwierig, bis auf manche kleine Abschnitte. Matthias, unser Langer, durchstieg durch seine Größe manche Passagen recht einfach… Alle anderen mussten sich durch „Klettertechnik“ behelfen. Das Klettern am richtigen Berg macht auf jeden Fall mehr Spaß als in der Kletterhalle. Man ist draußen, kann überall greifen, treten und „seinen eigenen Weg“ gehen. Der Tag endete mit dem üblichen Abendbrot und einem von Katharina eingeführten Spiel namens … Sehr sehr spaßig. Aufgrund der Sperrstunde endete der Spaß leider immer schon 22.00 Uhr.
Der dritte Tag stand an. Wir kamen als Gruppe super zurecht, was Thomas auch bestätigte. Das bedeutete, dass wir am dritten Tag die Tour, die eigentlich am Freitag anstand, schon am Mittwoch bewältigen konnten. Und so ging’s mit unserer ganzen Kletterausrüstung in Richtung Schärtenspitze. Eine Route des dritten Schwierigkeitsgrades mit sieben Seillängen. Am Einstieg angekommen, teilten wir die Seilschaften ein und legten eine Kletterreihenfolge der Seilschaften fest. Matthias und Tom bildeten eine Seilschaft und gingen zuerst. Anschließend gingen Katharina und ich. Als letztes Peter und Martin, die Bandschlingen, Expressen oder Klemmkeile einsammelten, die benötigt worden.
Es ging los und alle festigten die Kommandos, das Arbeiten am Standplatz sowie das Klettern an sich, um welches es ja eigentlich ging. Während der Tour hat man ständig Blick auf die Westwand des Watzmann und auch etwas Zeit, diese zu genießen. Nach ein paar Schlüsselstellen und drei Stunden kamen wir oben auf der Schärtenspitze an. Hervorragend war die Aussicht. Möglicherweise sind Aussichten und Eindrücke der Umgebung auf Bergen andere, wenn man durch eigene Kraft auf die Spitze gelangt ist. Irgendwie intensiver und überwältigender habe ich den Eindruck. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto stiegen wir an der Ostseite des Berges zur Blaueishütte herab.
Abends vor dem Essen war wie immer Sportkletterei angesetzt. Nach dem Abendmahl schauten wir das Tourenbuch der Blaueishütte durch, um die Tour des nächsten Tages zu planen. Die Wahl fiel auf die Tour „Logic Line“. Eine Tour im fünften Grad mit etwas Plattenkletterei als Schlüsselstelle.
Donnerstag, den vierten Tag, liefen wir am Morgen Richtung Schärtenspitze zum Einstieg der „Logic Line“. Dort angekommen, erledigten wir unsere Vorbereitungen routinierter. Jeder wusste, was zu tun war, legte Kletterausrüstung an, bereitete sich vor. Die Kletterreihenfolge und die Seilschaften änderten wir nicht. Die Route stellte sich als recht einfach heraus, bis jeder an die Schlüsselstelle gelangte. Thomas erklärte, wie diese zu begehen sei und jeder konnte sie bravourös bewältigen. Zu erwähnen ist noch, dass die Standplätze recht weit voneinander entfernt lagen. Das bedeutet, dass die Kommunikation in den Seilschaften zeitweise nicht möglich oder nur durch Ziehen am Seil eingeschränkt möglich war. Ich bin mir ganz sicher, dass jeder immer sicher im Seil eingehangen war… Das Ende der Route erreicht, machten wir erstmal eine etwas längere Pause, unterhielten uns, aßen etwas und aalten uns in der Sonne. Wie jeden Tag kletterten wir noch etwas an den Sportkletterwänden, um an unserer Klettertechnik zu feilen.
Nach dem Abendessen saßen wir gemeinsam vor der Hütte und beschlossen die sogenannte „Eisbärenroute“ am letzten Tag dieser Woche anzugehen.
Und so startete der fünfte Tag mit einer 40 minütigen Wanderung zum Einstieg der „Eisbärenroute“. Dies ist eine Route mit 17 Seillängen und ein paar Schlüsselstellen der Schwierigkeit sechs minus. Mit ein paar Überhängen, etwas Plattenkletterei in praller Sonne stellte sich die Tour als doch gar nicht so einfach heraus, wie vorher angenommen. Vor allem die 17 Seillängen führten zu dem einen oder anderen Tropfen Schweiß…
Von ganz oben blickten wir auf die Blaueishütte und die Schärtenspitze und dachten an die Touren und die Erfahrungen der letzten Tage. Etwas wehleidig stiegen wir über ein paar Geröllfelder innerhalb 1,5 Stunden zur Blaueishütte hinab. Mit Vorstiegskletterei endete der Tag, bevor wir die geliehene Ausrüstung abgaben. Thomas musste leider schon früher ins Tal absteigen. Wir bedanken uns noch mit einem kleinen Geschenk bei Ihm.
Am Samstag aßen wir in Ruhe Frühstück und liefen entspannt ins Tal hinab und verabschiedeten uns voneinander.
Wir bedanken uns bei Thomas für seine hervorragend durchgeführte Ausbildung, seine Geduld und die Zeit, die er sich für uns genommen hat. Thomas verlangte uns viel ab, gab uns einiges aus seinem Erfahrungsschatz mit auf den Weg und unterstützte uns, wo er nur konnte. Thomas ist ein hervorragender Bergführer. Wir hoffen, dass er noch viele Gruppen in seiner Art und Weise in die Berge führt und wünschen ihm zukünftig alles Gute.
Zurückblickend kann ich zusammenfassend sagen, dass es eine perfekte Woche in den Bergen war. Das Wetter war allzeit sonnig und trocken. Die Umgebung war grandios und ist zum Klettern und dem Erlernen dessen ausgezeichnet geeignet. Doch viel wichtiger sind noch die Menschen, die ich in dieser Woche kennenlernen durfte. Allesamt sind nette, hilfsbereite und sportbegeisterte Menschen, die sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam an einem Strang gezogen haben. Jeder konnte und kann sich auf den anderen verlassen. Sehr gern würde ich mit Peter, Martin, Matthias, Tom und Katharina wieder gemeinsam zum Klettern in die Berge ziehen.
Viele Grüße und bis zum nächsten Blog.
Frank